LEED v4 Technical Meeting in Berlin – Chance für Hersteller von Bauprodukten

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Quelle: Pixabay (stokpic)


Am 21. und 22. September folgten über einhundert LEED® Accredited Professionals (LEED® APs) und Fachleute aus ganz Europe der Einladung der German Green Building Association (GGBA) und des United States Green Building Councils (USGBC) zum LEED v4 Technical Meeting in Berlin. Es ging um die Anwendung des (relativ) neuen LEED v4 Systems in Europa und darum Verbesserungs- und Ergänzungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die Teilnehmer waren alles erfahrene Praktiker von denen viele nicht nur LEED® APs sondern auch DGNB Auditoren und BREEAM Assessoren waren, also eine große Bandbreite an Praxiserfahrung mit nachhaltigen Bausystemen mitbrachten. So konnte man sich auf hohem Niveau austauschen und mit Praxisbeispielen die jeweiligen Beiträge und Stichpunkte illustrieren.
In den Diskussionen kam heraus, das Bauplaner und Projektleiter besonders große Schwierigkeiten haben Produkte zu finden, die den Anforderungen der materialspezifischen Bereiche in LEED entsprechen – Materials & Resources (MR) und Indoor Environmental Quality (EQ). Dies gilt sowohl für LEED v4, als auch für die ältere LEED 2009 Version. Der Großteil der europäischen LEED Projekte erreicht nur verschwindend kleine Punktzahlen in diesen Bereichen und das obwohl sich ein Großteil der Hersteller von Baumaterialien seit langem ganz gezielt auf Nachhaltigkeits- und Umweltaspekte eingestellt hat. Das überrascht dann doch etwas, denn es ist relativ einfach für einen Hersteller seine Produkte für LEED, DGNB und BREEAM zu optimieren, vor allem da es große Überschneidungen zwischen den Anforderungen gibt. In Deutschland kann man davon ausgehen, dass sehr viele Hersteller bereits die nötigen Produktprüfungen durchführen lassen und in der Lage sein sollten entsprechende Nachweise zu erbringen.

Die Materialgruppen, die von den Teilnehmern besonders erwähnt wurden waren Holzwerkstoffe, Farben, Anstriche und Beschichtungen, sowie Klebstoffe und Dichtungsmittel. So können zum Beispiel sehr wenige Holzprodukte die nötigen Chain-of-Custody Dokumente bis ins letzte Glied der Lieferkette für die Forest Stewardship Council Zertifizierungen vorweisen.

Im Bereich “Paints & Coatings” (Farben und Beschichtungen) und “Adhesives & Sealants” (Klebstoffe und Dichtungsmittel) liegen die Probleme im Bereich Innenraumluftqualität und hier insbesondere an den unterschiedlichen Prüfstandards in Nord Amerika und Europa. So benötigen beide Produktkategorien in LEED 2009 entweder den Nachweis nach den South Coast Air Quality Management District (SCAQMD) Rules 1113 oder 1168 oder die Zertifizierung durch Greenseal. Es ist schwer verständlich warum sich LEED immer noch auf, für den Innenraum völlig irrelevante, Prüfmethoden und Standards für Außenluft verlässt, als sich voll auf chemische Emissionen zu konzentrieren. Das sollte in LEED v4 verbessert werden, allerdings hat man die VOC-Inhaltsstoffanforderungen beibehalten und zusätzlich den Nachweis über eine bestandene Emissionsprüfung gefordert. Europäische LEED Projekte können seit der Version LEED v4 auch europäische Prüfmethoden anwenden, allerdings mit gewissen Einschränkungen. Die Europäische Decopaint Direktive 2004/42/EU wird hier als Alternative zu GreenSeal und SCAQMD akzeptiert.
Im Bereich Emissionsprüfungen werden sowohl das deutsche AgBB Schema, das französische VOC Zeichen, als auch das DIBt Ü-Zeichen als Alternativen für LEED Projekte außerhalb der USA genannt. Das bedeutet, dass auch Gütesiegel, die nach diesen Methoden prüfen und die Kriterien erfüllen eingesetzt werden können, wie zum Beispiel das Eco INSTITUT Label, EmiCode, oder Emissionsprüfungen unter bestimmten Blauen Engel Standards. Eine Liste der anerkannten Gütesiegel findet sich auf der USGBC Webseite. Allerdings verlangt LEED, dass alle diese Verfahren spezielle Prüfanforderungen für unterschiedliche Produktgruppen beschreiben, so wie der US-Standard (CDPH Standard Method V1.1-2010). Ist dies nicht der Fall, muss dennoch auf das US Verfahren zurückgegriffen werden. Außerdem wird für die meisten der europäischen Verfahren noch ein gesonderter Nachweis über die Erfüllung der Richtwerte für Formaldehydemissionen verlangt. Leider fehlt dieser bei vielen Produkten und macht diese daher ungeeignet um EQ-Punkte in LEED Projekten zu erlangen.

Insbesondere für LEED v4 ergaben sich im MR Bereich zusätzliche Schwierigkeiten Produkte mit der nötigen Transparenzdokumentation zu finden. Hier gibt es die neuen LEED MR Building Product Disclosure and Optimization Credits für Environmental Product Declarations (EPDs), Sourcing of Raw Materials, und Material Ingredients. Zwar wurden die neuen LEED Kriterien zu mehr Produkttransparenz sehr begrüßt, aber es war allen Konferenzteilnehmern klar, dass es noch einige Zeit dauern würde, bis sich genug Produkte finden die diese Nachfrage auch bedienen können. Hier sind deutsche Hersteller klar im Vorteil, da bereits viele EPDs für ihre Bauprodukte haben anfertigen und zertifizieren lassen. Auch die Anforderungen im Bereich Responsible Sourcing und Raw Material Responsibility lassen sich relativ einfach durch Corporate Social Responsibility (CSR) Berichte nach dem Format der Global Reporting Initiative (GRI) bedienen. Weitere Alternativen wären hier UN Global Compact, Umweltberichte nach ISO 26000 oder den OECD Richtlinien.

Anders verhält es sich mit den Anforderungen zu Material Ingedients, die relativ neu sind und erst in den letzten Jahren zunehmend im Markt verlangt wurden. Vor allem in den USA erreichten Ingedient Disclosure Vorgaben, also Offenlegung der Inhaltsstoffe eines Produktes, durch die Einführung von Health Product Declarations (HPDs) einen großen Bekanntheitsgrad. Hier haben sich große Firmen und Immobilienbesitzer (z.B. Google und Jones, Lang, LaSalle) sowie die führenden Architekturbüros (z.B. Gensler, HDR, Perkins & Will und viele andere) öffentlich dazu bekannt immer Produkten mit verifizierter Transparenzdokumentation (EPDs und HPDs) den Vorrang zu geben und sogar Produkte ohne solche Umwelt- und Inhaltsstoffoffenlegung an Ausschreibungen für viele ihrer Projekte nicht mehr teilnehmen zu lassen.
Viele große Hersteller wie Assa Abloy, Interface, Gerflor, Forbo oder Thyssen-Krupp beteiligen sich bereits aktiv an diesen Transparenzinitiativen und gewinnen erhebliche Wettbewerbsvorteile. Mittlere und kleinere Bauproduktefirmen sind da oft zögerlicher, denn sie befürchten viele dieser Maßnahmen könnten mit erheblichen Kosten und großem Personalaufwand verbunden sein. Es gibt zwar auch hier Firmen, die Nachhaltigkeit als kritischen Teil ihrer Unternehmensstrategie begreifen und sehr erfolgreich im Markt für nachhaltige Produkte agieren, aber dem Großteil der kleinen und mittleren Unternehmen fehlt es oft an internen Ressourcen. Dabei braucht es nicht viel, um mit den Großen mitzuspielen und die Möglichkeiten effektiv und gewinnbringend zu nutzen.

Nun mag man sich fragen, ob LEED in Europa im Markt überhaupt präsent genug ist damit sich der Aufwand für Hersteller lohnt. Laut GGBA und USGBC gibt es heute in Europa 3.155 LEED Projekte davon 445 in Deutschland von insgesamt 72.000 LEED Projekten weltweit. Seit 2013 hat LEED seinen Marktanteil in Europa mehr als verdoppelt. Zum Vergleich gibt der DGNB 900 zertifizierte Projekte weltweit an. Nicht zu vergessen sind auch die weltweit über 200.000 LEED APs, davon fast 2.500 in Europa. Die LEED APs sind deshalb ein wichtiger Marktfaktor, da diese Projektleiter und Baufachleute oft auch in Projekten die nicht nach LEED gebaut werden ihr LEED-geprägtes Fachwissen in Produkt- und Materialentscheidungen einfließen lassen. Nachhaltige Gebäudezertifizierungen machen zwar nur einen geringen Teil der Summe aller Bauvorhaben aus, aber diese Projekte haben Leuchtturmcharakter. Vor allem international tätige oder auf Prestige bewusste Firmen bauen, renovieren oder managen ihre Immobilien nach LEED.

 

Hersteller sind gut beraten sich jetzt mehr um LEED, DGNB, oder BREEAM Anforderungen zu kümmern und sich in diesem Markt früh vorteilhaft zu positionieren. Das bedeutet auf der einen Seite eine genaue Überprüfung des eigenen Produktportfolios auf Übereinstimmung mit LEED, DGNB und BREEAM Kriterien und auf der anderen Seite eine Optimierung des Kommunikations- und Marketingmaterials hinsichtlich der spezifischen Anforderungen von LEED APs, DGNB Auditoren und BREEAM Assessoren. Dieser Aufwand lohnt sich und rentiert sich schnell, denn der Bedarf nach Produkten, die bei der Erreichung einer LEED- oder DGNB-Zertifizierung helfen oder ein Projekt in eine höhere Zertifizierungsstufe bringen können, steigt rapide an.

 

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